Hör auf deinen Körper und befreie dich

Viele Menschen leiden unter körperlichen Beschwerden, haben z.B. chronische Schmerzen, Migräne, Rückenschmerzen oder Schwindelgefühle, Herzrasen, Verdauungsprobleme, Ohrgeräusche etc. – und es lässt sich einfach keine körperliche Ursache dafür finden. Vielleicht kennst auch du das. Es kann frustrierend sein, wenn keine Ursache gefunden wird – weil es dadurch keinen Anknüpfungspunkt zu geben scheint, damit es dir besser geht. Doch das ist nicht wahr. Denn hinter solchen Beschwerdebildern liegen häufig psychische Ursachen – schließlich ist alles miteinander verbunden. Und auch unsere Psyche, unser Geist und unsere Seele sind mit unserem Körper verbunden. Und nicht selten zeigen sich psychische Belastungen auf körperlicher Ebene. Es ist wie ein Aufschrei unseres Körpers, der möchte, dass wir hinschauen. Endlich hinschauen, was nicht gut läuft in unserem Leben.

Dein Körper will, dass du hinschaust

Auch Reizdarm zählt zu solchen psychosomatischen Beschwerden. Ich selbst bin eine Reizdarmbetroffene mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik und wusste lange Zeit nicht, was eigentlich hinter meinen Beschwerden steckt. Als meine Beschwerden immer schlimmer wurden, lief ich natürlich von Arzt zu Arzt, machte eine Untersuchung nach der anderen. Aber alles, was ich bekam, war die Diagnose Reizdarm, Tabletten, die nichts gegen meine Schmerzen halfen und ein paar Mainstream Ernährungsempfehlungen, die auch nicht die große Veränderung brachten.

Lange Zeit hatte ich trotz meiner Beschwerden immer alles durchgezogen. Bin laufen gegangen, weil ich mir das für diesen Tag vorgenommen hatte. Auch wenn ich währenddessen starke Schmerzen hatte und ich mich danach nur mehr am Boden zusammenkrümmen konnte. Ich tat es trotzdem. Immer und immer wieder. Oder auch bei Plänen mit Freundinnen und Freunden: ich zog sie alle durch, auch wenn ich es eigentlich überhaupt nicht genießen konnte. Mit Schmerzen zu sein, war irgendwie so normal für mich – denn ich hatte diese Beschwerden schon so lange. Es gehörte irgendwie zu mir und ich war gar nie auf die Idee gekommen, dass ich vielleicht mal auf meinen Körper hören und den Schmerzen Raum geben hätte können. Ganz zu schweigen davon, mal zu hinterfragen, warum es mir eigentlich ging, wie es mir ging. Ja, bis eines Tages der Leidensdruck so groß war, dass ich hinschauen musste.

Hinter jedem Körpersignal liegt eine wichtige Botschaft

Die Beschwerden waren irgendwann so stark geworden, dass ich mittlerweile schon sehr verzweifelt nach einer Lösung suchte. Und bei einer dieser verzweifelten Internet-Recherchen war ich auf einen Zeitungsartikel gestoßen, in dem berichtet wurde, dass Hypnosetherapie bei Reizdarm helfen kann. So landete ich bei einer Therapeutin, die genau das in ihrem Angebot hatte. Ich saß also das erste Mal in ihrer Praxis, erzählte von meinem Anliegen, meinen Beschwerden und vom Vortag, an dem ich wieder starke Schmerzen gehabt hatte. Und ich berichtete, dass ich trotzdem laufen gegangen war. Die Therapeutin blickte mich völlig entrüstet an und sagte: „Wirklich? Sie sind mit Schmerzen laufen gegangen? Warum haben Sie sich nicht einfach hingelegt?“ Wow! An so eine Option hatte ich noch nie gedacht gehabt. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Es war der Moment, in dem mir bewusst wurde, was ich da eigentlich die ganze Zeit mit mir selbst gemacht hatte. Denn meine Schmerzen zu ignorieren und trotzdem immer alles durchzuziehen, darin war ich Profi.

Ab diesen Moment hörte ich auf, die Signale meines Körpers zu ignorieren. Und ich setzte mich auf zwei Ebenen ganz bewusst mit meinem Reizdarm auseinander: Zum einen begann ich, mich dabei zu beobachten, wie ich mit den Beschwerden, mit den Schmerzen, mit mir selbst umging. Und zum anderen begann ich zu erforschen, warum ich diese psychosomatischen Beschwerden hatte. Was mir mein Körper damit sagen wollte.

Mein Reizdarm zeigt mir, was mir nicht gut tut

Ich begann also, hinter das Symptom zu schauen. Begann, die Botschaften hinter dem Reizdarm zu hören, zu verstehen, zu entschlüsseln. Und fand immer mehr heraus, wie sehr mir mein Körper mit den Symptomen mitteilt, wenn irgendetwas in meinem Leben gerade nicht so läuft, wie es laufen sollte. Dass mir irgendetwas nicht gut tut, irgendetwas entgegen meiner inneren Wahrheit ist. Gerade etwas passiert, das mich verspannt, mich stresst. Und so war es letztlich mein Reizdarm, der mich auf den Weg gebracht hat, mich mit mir selbst tief auseinander zu setzen. Mein Reizdarm hat mich auf den Weg meiner eigenen persönlichen Entwicklung gebracht. Denn es ging einfach mehr anders, als hinzuschauen.

Und damit liegt in meinem Reizdarm ein so großes Geschenk. Ich fing an, zu beobachten, in welchen Situationen es mir schlecht ging – und fand so immer mehr heraus, was ich eigentlich will. Was mir eigentlich gut tut. Was meine Wahrheit ist. Die Beschwerden waren so belastend geworden, dass ich alles dafür tun wollte, damit es mir besser ging. Und so musste ich ehrlich sein – radikal ehrlich zu mir selbst. Und ich musste mutig sein. Mutig sein, nicht nur herauszufinden, was in mir steckt, was ich wirklich brauche und was mir eigentlich schadet. Sondern vor allem auch mutig sein, meine Wahrheit zu befreien. Mich von all dem zu befreien, was mir nicht gut tat – und mir zu erlauben, viel mehr von dem in mein Leben zu holen, was mir gut tat. Das bedeutete auch: neue Wege einzuschlagen, mir Irrwege einzugestehen. Aber auch Konflikte einzugehen, andere zu enttäuschen, Verbindungen aufzulösen. Und: mich von einem falschen Selbstbild, das ich von mir hatte, zu verabschieden. Das waren teils auch sehr schmerzliche Prozesse, aber jeder einzelne davon hat sich so sehr ausgezahlt. Denn so kam ich immer näher zu mir. Immer mehr zu meiner Wahrheit – und das war einfach nur schön und heilsam.

Ayurveda hilft, den Körper zu verstehen

Auch Ayurveda hat mir geholfen, meinen Körper viel besser zu verstehen. Denn laut Ayurveda hat Reizdarm immer etwas mit einem erhöhten Vata-Dosha zu tun – und auch andere Symptome, die ich habe, wie z.B. Neigung zu Schlafstörungen, schnelles Frieren und eine geringere Knochendichte, gehen mit einem Vata-Überschuss einher. Während die Schulmedizin oft sehr singulär auf einzelne Symptome, Krankheiten oder Beschwerdebilder blickt, hat Ayurveda einen sehr ganzheitlichen Blick und schaut sich den ganzen Menschen an. Und so verstehe ich heute viel besser, warum mein Körper ist, wie er ist. Warum mein Darm so sensibel ist – und warum genau dieses Organ es ist, das so stark auf meine psychischen Belastungen reagierte.

Natürlich ist es nicht so, dass mich meine Symptome durch all dieses Verstehen gar nicht mehr belasten. Oder dass ich manchmal nicht auch richtig frustriert bin, wenn es mir nicht gut geht. Aber durch Ayurveda weiß ich heute einfach so viel besser als früher, warum es mir z.B. in der kalten Jahreszeit deutlich schlechter geht oder warum auch der Übergang in den Herbst oft so hart ist. Das hilft mir sehr, um mit meinem Körper besser umgehen zu können. Heute denke ich mir einfach nicht mehr – so wie ich das früher oft getan hatte – „Mein Körper ist irgendwie komisch und funktioniert nicht richtig!“ Heute weiß ich, dass ein sensibler Darm teil meiner Natur ist.

Und auch, wenn mein Reizdarm noch immer da ist, auch wenn ich noch immer Beschwerden haben, immer wieder Schmerzen habe, es geht mir so viel besser damit. Ich kann ihn annehmen, kann ihn als das Geschenk sehen, das er ist. Und ihm dankbar sein, denn nur durch ihn bin ich auf den Weg gekommen, meine Wahrheit zu befreien und mir zu erlauben, wahrhaftig und echt – und damit auch in Leichtigkeit und Freude – durch dieses Leben zu gehen.

Fotocredit: Lilly Holzapfel